Die Teilrevision des Baselbieter Gesundheitsgesetzes gab am Donnerstag viel zu reden. Trotzdem konnte die Traktandenliste unter der Sitzungsleitung von Pascal Ryf wiederum vollständig abgearbeitet werden.
Stellungnahme zur hochroten Kantonsrechnung
Die Landratssitzung vom Donnerstag eröffnete die SP mit einer Fraktionserklärung zum 94-Millionen-Franken-Defizit in der Kantonsrechnung 2023. Finanzdirektor Anton Lauber hatte diese hochroten Zahlen am Vortag kommuniziert. Die SP verlangte, dass Lauber reinen Wein einschenken solle, wie es um die Finanzen tatsächlich stehe und welche Sparmassnahmen vorgesehen seien. Lauber nutzte die Gelegenheit und erklärte, wie das Defizit zustande kam und dass auch die Aussichten düster seien. Um ein weiteres Abrutschen in die roten Zahlen zu vermeiden, müsse der Kanton nun sparen. «Wir haben einen Prüfauftrag und da gibt es keine Tabus», sagte Lauber. Und an die SP gewandt sagte er: «Setzen Sie sich bitte mit der Thematik auseinander und zwar möglichst objektiv aufgrund von Daten und Fakten.» Wie diverse eingereichte Vorstösse zeigen, wird das Defizit den Landrat noch länger beschäftigen.
Zulassungsstopp für Ärztinnen und Ärzte in bestimmten Fachgebieten
Seit dem 1. Juli 2023 hat der Bund die Kantone dazu verpflichtet, die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte in einem oder mehreren medizinischen Fachgebieten oder in bestimmten Regionen zu beschränken. Dies entspricht einem Zulassungsstopp von Ärzten, die zulasten der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) Leistungen erbringen. Der Bund erhofft sich damit, die ungebremste Zunahme von ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten in bereits bedarfsgerecht versorgten Fachgebieten zu verhindern und damit Kosten zu dämpfen.
Um dieser Verpflichtung nachzukommen, erliessen die Regierungsräte in beiden Basel am 1. April 2022 eine Übergangs-Vollzugsverordnung, wogegen im Baselbiet Beschwerde erhoben wurde und das Kantonsgericht mit Urteil vom 18. Januar 2023 die kantonale Zulassungsverordnung aufhob. Das Gericht kam zum Schluss, dass eine Verordnung nicht zulässig sei; stattdessen müsse das kantonale Ausführungsrecht in einem Gesetz erlassen werden. Deshalb unterbreitete der Regierungsrat dem Landrat den Entwurf für eine Teilrevision des Gesundheitsgesetzes.
Während der Eintretensdebatte zur 1. Lesung der Gesetzesrevision im Landrat waren sich alle einig, dass die Kosten im Gesundheitswesen gesenkt werden müssen. Allerdings ist das Sparpotenzial mit der Massnahmen relativ gering mit geschätzt 7,7 Millionen Franken, wobei die Schätzungen hier weit auseinandergehen. «Die zugrunde liegende Datengrundlage ist unklar bis unzureichend», monierte Marc Scherrer in einem flammenden Votum. «Wir müssen nun als Kantonsparlament die Kuh vom Eis bringen, was das nationale Parlament nicht geschafft hat, das nervt mich.» Trotz Bedenken in der Mitte-Fraktion müsse der Kanton wegen der Vorgaben handeln. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesrevision hätte das Baselbiet Handlungsspielraum. Scherrer wünschte sich jedenfalls ein Monitoring, das die Auswirkung des Gesetzes eng begleiten soll. «Und ich habe auch die Hoffnung, dass Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan in der Verordnung eine passende Lösung finden wird für unseren Kanton, finanziell wie versorgungstechnisch», so Scherrer. Die Voten der anderen Fraktionen gingen in dieselbe Richtung, mit Ausnahme der FDP, die die Revision grundsätzlich ablehnt.
Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan erläuterte, dass von der Beschränkung nur wenige Spezialgebiete mit einer deutlichen Überversorgung betroffen wären, konkret Orthopädie, Radiologie, Urologie, Augenheilkunde, Kardiologie, Neurologie, Anästhesiologie sowie die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Zudem sei die Gesundheitsversorgung schon heute kein freier Markt und stark reguliert.
Schliesslich beschloss der Landrat mit 61 zu 23 Stimmen auf die Vorlage einzutreten. In der 1. Lesung gab es keine Änderungsvorschläge. Kommt in 2. Lesung kein Vier-Fünftel-Mehr zustande, wird es eine Volksabstimmung zur Teilrevision des Gesundheitsgesetzes geben.
Neuregelung der Rückerstattungspflicht bei Sozialleistungen
Wer bislang Sozialleistungen vom Kanton bezogen hat, war verpflichtet, bezogene materielle Unterstützung zurückzuzahlen, sobald sich die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert hatten, dass eine Rückzahlung zumutbar ist. Diese bestehende Regelung im Sozialhilfegesetz kann aber zu problematischen Fällen führen, zum Beispiel bei Alleinerziehenden. Zudem kann die Rückerstattungspflicht aus späterem Erwerbseinkommen im Hinblick auf die Ablösung von der Sozialhilfe einen Fehlanreiz darstellen und für die Gemeinden bedeutet die bestehende Regelung einen grossen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Ertrag steht. Die Erfahrung zeige nämlich, dass signifikante Erträge bei der Rückerstattung in der Regel nur durch Vermögensanfall erreicht würden.
Deshalb beantragt der Regierungsrat, das Sozialhilfegesetz so zu ändern, dass die Rückerstattungspflicht aufgrund wirtschaftlicher Verhältnisse nur noch bei erheblichem Vermögensanfall bestehen soll, insbesondere bei Erbschaften. In der vorberatenden Finanzkommission war die vorgeschlagene Änderung des Sozialhilfegesetzes unbestritten und die Kommission beantragte dem Landrat einstimmig der Änderung zuzustimmen. Eine von der SVP beantragte Eintretensdebatte scheiterte am benötigten Zweidrittel-Mehr, weshalb die Änderung im Landrat in 1. Lesung nicht im Detail besprochen wurde.
Landratssitzungen werden künftig mit Bild und Ton übertragen
Im Juni 2024 zügelt der Landrat aus dem Provisorium an der Kasernenstrasse zurück ins Regierungsgebäude. Die Landrätinnen und Landräte werden dann nicht nur ein frisch saniertes Gebäude antreffen, dessen Sicherheit erhöht wurde, sondern auch eine neue Multimedia- und Abstimmungsanlage. Mit der wird es dann möglich sein, die Landratssitzungen in Ton und Bild live zu übertragen – heute gibt es nur einen Audiostream. Die Videoaufnahmen werden dann in einem Archiv gesammelt und nach einzelnen Voten durchsuchbar gemacht. Damit dies aber wie geplant realisiert werden kann, muss die Geschäftsordnung des Landrat angepasst werden, wie Landratspräsident Pascal Ryf erklärte. Diese Anpassung war im Landrat unbestritten und wurde mit 62 zu 9 Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen.
So werden auch Sie, geschätzte Leserin, geschätzter Leser, künftig die Möglichkeit haben, am Donnerstag das «Landrats-Fernsehen» einzuschalten oder sich später einzelne Voten nochmals anzuhören.
Folgende Vorstösse der Mitte-Landrätinnen und -Landräte wurden behandelt:
- Interpellation «Wie kontrolliert der Kanton die bei den BVB bestellten Leistungen?» von Hannes Hänggi
- Interpellation «Stellt die berufliche Grundbildung an der Wirtschaftsmittelschule (WMS) eine Konkurrenz zum dualen Bildungssystem im Kanton Basel-Landschaft dar?» von Marc Scherrer
- Interpellation «Aufhebung Art. 16a ELG» von Regina Weibel
- Fragestunde «Abschaffung der Mehrfahrkarte» von Béatrix von Sury
Die Mitte-Landrätinnen und -Landräte haben die folgenden Vorstösse eingereicht:
- Postulat «BKU Lehrpersonen» von Marc Scherrer
- Postulat «Informationen zur WMS und Berufsbildung» von Marc Scherrer
- Interpellation «Effizienzsteigerung dank Digitalisierungsstrategie?» von Marc Scherrer
Hier finden Sie alle Landratsbeschlüsse der Sitzung vom 21. März 2024